Der Schlafmohn-lilarote Faden - Rauschmittel im 19. Jahrhundert

Vor mehr als 120 Jahren konsumierten weite Teile der Bevölkerung Rauschmittel in einem weitaus umfangreicheren Maße als heute. Kokain und viele Opiate waren zumeist frei erhältlich und genossen eine höhere gesellschaftliche Akzeptanz als dies heute der Fall ist. Auch Alkohol war in Europa und auf den britischen Inseln "everybody's darling".

Im "Baker Street Chronicle" erschien zuletzt mein Aufsatz über die Rauschdrogen der Vergangenheit, die ebenso als Schablonen der Süchte der Gegenwart dienen könnten.

Die reich bebilderte und graphisch aufgewertete Version dieses Artikels kann man hier - nebst weiteren Ausgaben - bestellen: TBSC Nr. 40.

Der Schlafmohn-lilarote Faden

Stimulanzien, Hypnotika und Rauschmittel in viktorianischer Zeit


Sherlock Holmes beherrschte vieles – die Stille seines eigenen Geistes zu ertragen bereitete dem Muster-Viktorianer allerdings größere Probleme als jedes noch so abstruse Rätsel. Somit scheint es nicht weiter verwunderlich, dass ein solcher Mensch der viktorianischen Epoche zu Stimulanzien griff, welche ihm dieses Los ein wenig zu erleichterten vermochten.

Das Zeitalter der großen – im Körpermaß eher kleinen – Queen Victoria glich einer Petrischale im Labor der menschlichen Zivilisationen. Durch die rasche Ausbreitung des Empires rund um den Globus kumulierten im alten England die besten und die bedenklichsten Errungenschaften der damals erschlossenen Welt. So verwundert es nicht, dass in jenen Tagen der Griff zu Kokain, Morphin oder heute ähnlich verpönten Substanzen durchaus etabliert war. Morphium wurde zumeist in seiner rauchfertigen Gestalt durch Opiumpfeifen konsumiert, zuweilen in einer Lösung injiziert. Kokain fand auf vielfältige Art Verwendung. So wurde es gegen Ende des 19. Jahrhunderts hin und wieder intranasal („in der Nase“) als Kokain-Hydrochlorid zu sich genommen, aber auch in Reinform verdünnt venös verabreicht. Gleichermaßen wurde die Substanz in ihrer natürlichen Basis Kokablatt verwendet und zuweilen recht ideenreich modifiziert1. Oftmals fanden sich hierzu beweihräuchernde Werbeanzeigen an Litfaßsäulen, pferdebetriebenen Omnibussen und in den täglich mehrmals erscheinenden Zeitungen. In den Apotheken waren Kokainlösungen, Morphinpräparate und Vergleichbares frei erhältlich. Fabrikanten und Fachleute priesen die Vorteile einer zeitweiligen oder regelmäßigen Anwendung derartiger Stoffe zur Linderung von allerlei Beschwerden an. Gewiss, es gab kritische Stimmen. Diesen vermochte die Vermarktungsmaschinerie jedoch lange Zeit zu widerstehen.

Beide Substanzen wurden im Zuge des Kolonialismus über die Jahrzehnte und Jahrhunderte aus entfernten Winkeln der Erde nach Europa eingeführt oder von Neuem etabliert. Die erste potenziell toxische Pflanze, welche sich in der Frühphase europäischer Forschungs- und Expansionsexpeditionen gen »Alte Welt« aufmachte, war im Übrigen der Tabak (veraltet: Tobak2), der schon Kolumbus in seiner üblichen rauchfertigen Form bei den amerikanischen Ureinwohnern begegnet war.

Opium

„Zur Warnung hört‘ ich sagen,
Daß, der im Mohne schlief,
Hinunter ward getragen
In Träume schwer und tief,
Dem Wachen selbst geblieben
Sei irren Wahnes Spur,
Die Nahen und die Lieben
Hält er für Schemen nur.“3

Die Nutzung des Schlafmohns (Papaver somniferum) für medizinische, kultische und rauscherzeugende Zwecke gilt in Europa schon seit mehr als 4000 Jahren als belegt. Funde aus Ägypten, Mesopotamien und Südostasien legen zudem nahe, dass der Schlafmohn bereits zwei Jahrtausende zuvor als Rauschmittel Verwendung fand4. Die Briten sorgten schließlich im 19. Jahrhundert dafür, dass sich der Opiumanbau und -handel von Südostasien über ganz China ausbreitete und somit unvermeidlich im alten England sowie in Kontinentaleuropa Fuß fasste. Der Ablauf der Opiumgewinnung stellte sich so dar wie heute. Zuerst wurden die unreifen Mohnkapseln geerntet und mit einem mehrklingigen Spezialmesser angeritzt. Darauf verfärbte sich die austretende Mohnmilch braun und trocknete ein. Die Milch wurde in Gefäßen oder auf Mohnblättern gesammelt. Aus zwanzig Kapseln ließ sich so etwa ein Gramm Rohopium gewinnen. Zuerst nahmen die Chinesen das Endprodukt oral zu sich. Erst durch einen Prozess von Erhitzung und Fermentierung konnte Rauchopium (Chandu) hergestellt werden5. Wenngleich der Besitz und Handel von Opium für Briten untersagt war, verbreiteten sich die sogenannten »Opiumhöhlen« im Laufe der Jahre über einige Gebiete Londons. Geführt wurden diese meist von Asiaten, so zum Beispiel von Malaien und Chinesen. Künstler, Geschäftsleute und hoffnungslose Arbeiter – die abgehängten Lasttiere einer extrovertierten Gesellschaft – schätzten die betäubenden und scheinbar bewusstseinserweiternden Charakteristika der schwarzen Wunderdroge. Einige Zeitgenossen injizierten sich lieber den primären Wirkstoff des Opiums, das Morphin. Es unterlag weniger strengen Kontrollen und konnte in den Apotheken genauso frei erworben werden wie die Opiumtinktur Laudanum oder ab 1898 Heroin. Zudem wirkte es in laborgereifter Form und – im Falle des reinen Morphins – als venöse Injektion schneller und ebenso stärker. Dieser offizielle Weg war kostspieliger, weswegen dies oft nur den wohlhabenden Schichten vorbehalten war. Was für die Medizin bis heute einen ungeheuren Segen darstellte, betäubte und paralysierte in China, Britannien und andernorts gleichzeitig Millionen.

Kokain

Das Kokain gelangte nicht über den Osten, sondern über den Atlantik ins alte Europa. Noch vor Perus Conquista (Eroberung) durch Pizarro diente die Cocapflanze (Erythroxylon Coca) den kultischen Zwecken der Inkas. So wurden Götterstatuen mit Cocablättern geschmückt, Priester verbrannten sie im Tempel wie Weihrauch. Dass es unter der Bevölkerung einen verbreiteten Gebrauch als Stimulanz gegeben hätte, kann aber nicht belegt werden. Dies kam im Laufe der Zeit erst mit den Verboten jener Inka-Kulte durch die spanischen Besatzer, bei denen die Cocablätter zeremoniell konsumiert wurden6. Selbiges führte zur Illegalität und somit waren Tür und Tor für den hedonistischen Gebrauch der Substanz geöffnet. Überdies vertreibt das Coca-Kauen den Hunger, was der oftmals hungernden Bewohnerschaft perverser Weise sehr zupasskam. Dem deutschen Chemiker Albert Niemann gelang 1860 die chemische Isolierung des Kokains. Darauf befasste sich vor allem Freud intensiv mit dessen medizinischer Brauchbarkeit. Hierauf kommen wir später noch eingehend zu sprechen.

Seit das »weiße Gold« in der Mitte des 17. Jahrhunderts seinen Weg nach England und weitere Staaten des Festlandes gefunden hat, wurde es zu einer Substanz, die vornehmlich gehobene Schichten zu konsumieren pflegten. Der Stoff war teuer, erzeugte auch in seiner synthetisierten Form keine physische Abhängigkeit und wurde frei verkauft. Carl Koller – inspiriert von Freud – nutzte es als Mittel der Wahl, um die Hornhaut bei Augenoperationen zu betäuben. Das erste Lokalanästhetikum war somit Kokain. Den führenden Kreisen der Gesellschaft, ständig auf der Suche nach Enthusiasmus und gesteigertem Antrieb, bot sich diese Droge In ihrer euphorisierenden Wirkung natürlich an. Passenderweise vermochten es nur die wohlhabenden Briten, sich damit zu einer Leistungssteigerung zu verhelfen.

Alkohol

„Man hat mich geschlagen, 
doch es tat mir nicht weh, 
man hat mich gehauen, 
aber ich habe nichts gespürt. 
Wann wache ich auf? 
Von neuem will ich zum Wein greifen.“7

Der Grundstoff, aus dem die Geißel des weltweiten Genussmittelmissbrauchs ersteht, wird in Bezug auf die Rauschmittel des viktorianischen Zeitalters gern vernachlässigt. Und das, obwohl alkoholische Getränke damals omnipräsent waren und ein übersteigerter Gebrauch derselben gesellschaftlich weit etablierter, als dies heuer der Fall ist.

Seit in prähistorischen Zeiten entdeckt wurde, dass kohlenhydrathaltige Flüssigkeiten durch einen Gärungsprozess in berauschende Getränke umgewandelt werden können, versucht sich der Erdenbewohner (Elefanten im Übrigen ebenfalls) mit Beharrlichkeit als Gärmeister. Nachdem die 15 Vol.% maximalen Alkoholgehalts, die durch Gärung erreichbar sind, nicht mehr genügten, bemühte der Mensch sich sodann als Brennmeister8.

Dem maßvollen Genuss von Alkoholika ist gewiss nichts entgegenzubringen. Dennoch pflegten die viktorianischen Briten ein Maß des Alkoholkonsums, welches heutzutage oftmals als Suchtverhalten bezeichnet werden würde. Ob armseliger Arbeiter oder gehobener Gentleman – Alkohol spielte in der Tagesroutine der Briten eine herausgehobene Rolle. Der Eine leerte Flaschen aus Verzweiflung ob seines harten Lebensloses, der andere in Rechtfertigung zahlreicher Rituale, die zum Empfang von Gästen, als Beigabe zu Speisen und zur Würdigung von allerlei Ereignissen den Genuss verschiedenster Spirituosen mit einschloss. Ebenso zur Behandlung diverser Erkrankungen und zum Zwecke der Abmilderung psychischer Erregungszustände wurde Alkohol in Form von Brandy oder Whiskey oft verabreicht. Viele Heilmittel stützen sich bis heute vor allem auf ihren hohen Alkoholgehalt9.

Verbreitete Spirituosen und Gäralkohole im England des 19. Jahrhundert waren die vormals erwähnten Schnäpse Whiskey und Brandy – letzterer ist ein Sammelbegriff für Weinbrände –, importierte Weine und das allseits beliebte Bier, welches im Vereinigten Königreich vor allem als Ale, auch Bitter genannt, daherkommt. Eine weitere typisch englische Instanz, der Gin – ein auf Wacholder basierendes Destilat – stammt dagegen aus den Niederlanden10. Sämtliche dieser und anderer alkoholischer Getränke waren immens mit den alltäglichen Gewohnheiten verflochten. So scheint es nicht verwunderlich, dass der chronische Alkoholismus ein weit verbreitetes Übel war.

Gewiss, es wurden und werden weltweit und speziell im Vereinigten Königreich beträchtlich mehr Substanzen als Rausch – und Suchtmittel missbraucht. Der Tabak fand bereits Erwähnung. Nachtschattengewächse wie Bilsenkraut (Hyoscyamus niger), sowie dessen potenterer, weißer Verwandter Hyoscyamus Albus und der Stechapfel (Datura Stramonium) seien hier genannt, auch wenn der Konsum dieser Pflanzen eher weniger verbreitet war. Gleichfalls wurde Schindluder mit zur medizinischen Anwendung empfohlenen Stoffen getrieben: Chloroform und Äther wurden gedrosselt inhaliert, um einen subnarkotischen Effekt zu erzielen. In einer Kultur signifikanter Unterschiede zwischen Reich und Arm; unter Hochgefühl und Verzweiflung, wurden beinahe alle Substanzen mit betäubender oder stimulierender Wirkung zur Linderung des täglichen Leids verwendet - trotz potenzieller Risiken. An die Bedeutung der drei ausgiebig besprochenen Mittel reichen die eben Erwähnten im vorliegenden Sachverhalt dessen ungeachtet nicht heran.

Die Effekte von Opium, Kokain und so fort auf den Konsumenten spielen eine Rolle bei den Auswirkungen des Konsums, wie in eingeschränkter Art bei den Beweggründen, die dem Verbrauch zugrunde liegen. Somit wirkt die Verzweiflung eines am Boden liegenden Bewohners von Whitechapel ursächlich für das Bedürfnis, sich gegen das Elend der Realität betäuben zu wollen. Gleichzeitig bewirkt die Einnahme der Droge eine physische Abhängigkeit (ggf. nur eine psychische), welche fortan den Platz der eigentlichen Ursache einnimmt. So bildet sich ein selbsterhaltender Kreislauf, dass Perpetuum mobile der Sucht. Sich bar jeder Perspektive und ohne kompetente Hilfe aus diesem Zyklus zu befreien, war und ist vielen nur schwer möglich.

Pharmakologie

Die Betrachtung pharmakologischer Charakteristika einer rauscherzeugenden Substanz schließt für gewöhnlich deren Wirkung auf den menschlichen Organismus ein. Den Einfluss dieser Stoffe auf Geist und Körper eines Konsumenten zu beleuchten, erfasst die Art jener Rolle, die Rauschmittel im Leben Süchtiger einnehmen.

Opiate

„Lethaeo perfusa papavera somno.
(Der Mohn, getränkt mit lethäischem Schlummer).“11

Wenngleich der Gebrauch des Saftes aus den Kapseln des Schlafmohns (Papaver somniferum) schon die alten Griechen und andere große Kulturvölker bewegte, konnten erst in jüngerer Zeit die Mechanismen erfasst werden, die der entspannenden und schmerzstillenden Wirkweise der Substanzen des Schlafmohns zu Grunde liegen. Wichtig scheint, dass Opium eine Vielzahl an aktiven Wirkstoffen enthält, die keine sedierenden oder analgetischen Besonderheiten aufweisen.

Im Opium sind 37 einzelne Alkaloide enthalten, von denen Morphin (C17H19NO3), erstmals 1804 von Friedrich Sertürner, der zu dieser Zeit Apothekergehilfe in einer Paderborner Apotheke war, chemisch isoliert wurde. Sertürner verlieh dem Stoff auch seinen Namen – entlehnt dem griechischen Gott des Schlafs: Morpheus. Morphium gilt bis heute als stärkstes schmerzhemmendes (analgetisches) Medikament. Es wirkt als zentraler Agonist an den natürlich vorkommenden Opioidrezeptoren des menschlichen Gehirns. Das heißt, Morphine besetzten die Rezeptoren (Andockstellen) der opioidsensiblen Nervenzellen und sorgen somit für eine vermehrte Signalübertragung. Indem vor allem die μ-Rezeptoren aktiviert werden, hemmt dieser Prozess die Schmerzweiterleitung. Ein Zuviel an Morphin hemmt zudem die Atmung, wodurch es – dies ist bei quasi sämtlichen Opiaten zu beobachten – zu einer lebensgefährlichen Atemdepression kommen kann. Ebenso wird Morphin zur Entlastung des Herzens verabreicht. Es wird einer Vielzahl Herzinfarktpatienten verabreicht. Husten unterdrückt es passabel, gilt es für diese Indikation jedoch nicht als Mittel der ersten Wahl12. Die psychologischen Auswirkungen des Konsums lassen sich durch diese pharmakodynamischen Mechanismen nur teilweise erklären. Viele Anwender berichten über eine euphorische Reaktion bei der Einnahme geringer Dosen. Oftmals fühlen sie sich selbstsicherer und können sich besser konzentrieren. Ein entspannter Rausch ist die Folge. Mit der Zeit gewöhnen sich die genannten Rezeptoren an den Agonisten und bedürfen einer höheren Menge, um die ursprüngliche Wirkung zu gewährleisten. Nach einer gewissen Zeitspanne erfolgt eine Anpassung, die häufig eine Dosissteigerung mit sich bringt. In den Langzeitfolgen nach gewohnheitsmäßigen Gebrauch treten oft eine Vielzahl an physischen und psychischen Veränderungen auf, die sich auf den Charakter sowie auf das Verdauungs- und Atmungssystem auswirken können.

Codein (C18H21NO3) ist ein weiteres prominentes Opiat, das im Mohnsaft enthalten ist. Wo der Morphinanteil im Saft bei circa 12% liegt, ist dessen Codeinanteil weit geringer und mit maximal 3% zu veranschlagen. Es kann erst durch Metabolisierungsprozesse in der Leber seine Wirksamkeit entfalten. Heutzutage wird es vor allem in Mitteln gegen Reizhusten eingesetzt und fällt trotz seiner weniger berauschenden Wirkung unter die Betäubungsmittel.

Andere Opiatalkaloide wie Thebain (C19H21NO3) und Papaveraldin (C20H19NO5) werden entweder zur Herstellung von anderen Opioiden genutzt oder wie im Falle des Papaveraldin in der Herzchirurgie eingesetzt, um Gefäße zu erweitern. Selbst durch seine Anwendung in Potenzmitteln findet das nach der Schlafmohnpflanze benannte Opioid einen Nutzen.

Kokain

Der Cocastrauch (Erythroxylum coca) fand – es wurde bereits erwähnt – zur Mitte des 18. Jahrhunderts seinen Weg nach Europa und wurde von Albert Niemann und Friedrich Wöhler in Göttingen in seine chemisch aktiven Komponenten aufgeschlüsselt. Niemann kam auch zu der Erkenntnis, dass Kokain (C17H21NO4) eine lokalanästhetische Wirkung aufweist. Sigmund Freud forschte darauf eingehend an den pharmakologischen Charakteristika und potenziellen Einsatzgebieten der Substanz, in die er große Hoffnungen setzte. Freud trug sich mit dem Gedanken, der betäubende Effekt der lokalen Anwendung des Kokains könne dessen Verwendbarkeit bei Operationen ermöglichen. Sein Kollege Carl Koller realisierte darauf 1884 – auch das fand bereits Erwähnung – die erste Lokalanästhesie bei einer Augenoperation. Bis dato bestand bei Eingriffen am Auge das Problem, dass Reflexbewegungen bei jeder Berührung durch den Chirurgen eine Operation im höchsten Maße schwierig gestaltete. Durch die Betäubung der Hornhaut mit wenigen Tropfen einer Kokainlösung löste sich dieses Problem in Wohlgefallen auf13.

Freud selbst befasste sich trotz seiner korrekten Vermutung, was die lokalanästhetische Verwendbarkeit der Droge angeht, vornehmlich mit deren Anwendung als Mittel gegen seelische Leiden. Er fing an, geringe Dosen zu konsumieren, um seine Neurose zu kurieren. Dies gelang, worauf er mit eingehenderen Studien an seinen Patienten fortfuhr, welche die euphorisierenden Auswirkungen der Droge zu schätzen wussten. Freud empfahl auch Freunden den Gebrauch des Kokains, ohne dabei zu berücksichtigen, dass je nach emotionaler Ausgangslage und Vulnerabilität zu Suchtverhalten nicht Jedermann seine Selbstbeherrschung teilte. So geriet sein Freund Ernst Fleischl von Marxow, der Kokain auf Freuds Empfehlung gegen die Schmerzen an seinem Daumenstumpf einnahm, in eine chronische seelische Abhängigkeit. Spätestens, als es mit seinem Herzensbruder zu Ende ging, korrigierte der Begründer der Psychoanalyse seine anfänglich enthusiastische Beurteilung der Substanz, der er in vielen – vor allem privat publizierten – Schriften so wohlwollende Beachtung schenkte. Einige von Freuds Methoden und die daraus resultierenden Rückschlüsse muss man heuer als grob unwissenschaftlich bezeichnen14. So relativiert er früh erste Belege zur psychischen Abhängigkeit und bauscht die Droge als Allheilmittel gegen alle möglichen seelischen und körperlichen Leiden auf.

Kurioserweise wurde Kokain anfänglich als Mittel gegen die unerwünschten Erscheinungen eines Morphiumentzugs eingesetzt oder als mutmaßlich gefahrloser Ersatz. So kam Fleischl erst auf Freuds Empfehlung zum Koks15. Kokain wirkt als Wiederaufnahmehemmer der wichtigen Botenstoffe Serotonin, Noradrenalin und Dopamin. Das heißt die Wiederaufnahme dieser Botenstoffe in die Präsynapse wird gehemmt, womit diese glücksspendenden körpereigenen Neurotransmitter länger im synaptischen Spalt verweilen und somit eine größere Wirksamkeit entfalten. Dieses Prinzip wird exempli causa heutzutage bei modernen Antidepressiva genutzt – freilich mit einer deutlich indirekteren Wirkweise. Das vegetative Nervensystem spricht in Form des Sympathikus darauf an, wodurch es zu den gewünschten Reaktionen kommt. Kokain bewirkt letztlich eine kurzfristige Stimmungsaufhellung, die zu einer gesteigerten Wahrnehmung der eigenen Leistungsfähigkeit führt. Zudem unterdrückt es das Hunger- und Durstgefühl16.

Die chemische Darstellung als Strukturformel erfolgte 1898, die synthetische Herstellung erstmals 1902 durch den späteren Nobelpreisträger Richard Willstätter17. Anfangs wurde es als Kokain-Hydrochlorid in Form salzsaurer Kristalle verwendet, später etablierten sich Darreichungsformen über die erst zur Mitte des 19. Jahrhunderts eingeführte Hohlnadel via intravenöse Injektion oder die noch heute übliche nasale Applikation. Kokain bietet dem Anwender einen trügerischen Vorteil gegenüber vielen anderen Rauschmitteln: Es führt bei längerer Einnahme nicht in die körperliche Abhängigkeit. Das psychische Suchtpotenzial ist dafür umso größer. Der dauerhafte Gebrauch kann die Hirnchemie existentiell verändern.

Alkohol

„Wehe denen, 
die die kluge Narrheit begehen 
und Wasser trinken.18

Die Wirkung des Ethanols (C2H6O) – gewöhnlich Alkohol oder Ethylalkohol genannt – ist gemeinhin bekannt. In allerlei durch Gärung, beziehungsweise Brennprozesse entstandenen Alkoholika ist er in geringerer oder höherer Konzentration enthalten. In der Medizin ist Ethanol unerlässlich, besonders als wichtiger Bestandteil von Desinfektionsmitteln. Ein Gemisch mit Ethanolgehalt über 50% zerstört die Membran unerwünschter Bakterien. Zuweilen wirkt eine spezielle Mixtur von ethanolhaltigen Mitteln auch toxisch auf Viren. Die Rolle, welche Ethanol zur Herstellung vieler handelsüblicher Arzneien spielt, wurde bereits früher thematisiert. Bei einer Methanolvergiftung wird Ethanol intravenös gegeben, um die Umwandlung des Methanols (CH4O) in das für die Leber tödliche Methanal (Formaldehyd CH2O) zu verhindern. In der Industrie sowie als Kraftstoff für Fahrzeuge und in zahlreichen weiteren Bereichen kommt Ethanol zum Einsatz.

Über die Schleimhäute des Verdauungsapparats gelangt der Alkohol nach und nach in die Blutbahn. Von dort verteilt dieser sich innerhalb von etwa einer Stunde im gesamten Organismus. Der Abbau des Alkohols findet dann in der Leber statt. Dort wird er in zwei Etappen mit Hilfe der Enzyme ADH (Alkoholdehydrogenase) und ALDH (Aldehyddehydrogenase) zunächst in äußerst toxisches Azetaldehyd und schließlich in Azetat zerlegt19. Wird nun zu viel Alkohol konsumiert, führt dies zur Aktivierung eines weiteren Enzyms zwischen beiden Zerlegungsschritten. Das MEOS-Enzym (Mischfunktionelle Oxidase) hilft zusätzlich beim Abbau des Alkohols. Höchstwahrscheinlich ist ebendieses Enzym dafür verantwortlich, das sich der Organismus allmählich an höhere Konzentrationen gewöhnt. Durch den gewohnheitsmäßigen Konsum großer Mengen Alkohol stehen dem Körper größere Mengen MEOS zur Verfügung, was zu einer schnelleren Umwandlung in Azetaldehyd führt. Der Organismus passt sich somit an die Menge an und benötigt bedeutendere Rationen, um einen berauschten Zustand zu erreichen.

Körperfettgehalt, Wasserhaushalt, Geschlecht und Alter wirken sich auf die Wirkungsentfaltung des Alkohols im Organsystem aus. Der Alkoholkonsum führt dessen ungeachtet bei jedem Konsumenten – wenn auch in unterschiedlicher Ausprägung – zu einer Hemmung der Reizübertragung im zentralen Nervensystem. Dosisabhängig führt diese Unterdrückung der Funktionen des ZNS zu Störungen des Gleichgewichtssinns, der Sehkraft und gleichermaßen zur Enthemmung. Dies geschieht, da sich Ethanol in die Membranproteine einlagert und somit deren Arbeit stört. Empfänglich für die Interaktion mit Ethanol sind im menschlichen Gehirn vor allem die Ionenkänale, wie die GABA- und die NMDA-Rezeptoren. Liegt eine Alkoholintoxikation vor, kommt es aufgrund der Steigerung beschriebener Umstände sowie einiger anderer Gesichtspunkte zum Verlust von Muskelkontrolle und Amnesie.

Soziologischer Überblick und illustre Konsumenten

Das viktorianische Zeitalter war in England und andernorts geprägt von einer enormen Aufbruchsstimmung. Die industrielle Revolution verschaffte völlig neue Perspektiven im täglichen Leben, gleichfalls für den Arbeitsmarkt und die Globalisierung der Welt. Der Bedeutung der Adelsherrschaft wurde zunehmend hinterfragt, Schritt für Schritt veränderte sich die Zusammensetzung des Parlaments und religiöse Fragen, die oftmals eng verwoben mit der Aristokratie auftraten, waren für die tagesaktuelle Politik immer weniger von Belang20. Auf der einen Seite schuf dies eine Euphorie, die gerade innerhalb der bürgerlichen Schicht zu verspüren war. Auch viele Bürger, die durch den spürbaren Wirtschaftsaufschwung Arbeit am Fließband oder dergleichen fanden, profitierten zunächst. Der Aufschwung und der damit verbundene größere Wohlstand in weiten Teilen der Gesellschaft führten allerdings zu einer Schnelllebigkeit, die für viele befremdlich neu und furchteinflößend anmutete. Ebenso barg die Industrialisierung allerorts Schattenseiten, welche erst mit den sozialen Reformen ihre Regulierung fanden, die sich vom Ende des 19. Jahrhunderts bis hin in die zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts langsam durchsetzten21.

Diesen Veränderungen in der Lebenswirklichkeit der meisten Briten war es unter anderen geschuldet, dass sich Gräben zwischen den verschiedenen Schichten zuerst minimierten, um dann später wieder alte Dimensionen anzunehmen. Gründe, die Seele zu betäuben oder zu stimulieren fanden sich so reichlich. Die Verfügbarkeit der behandelten Substanzen war groß. Man injizierte sich eine siebenprozentige Lösung – zur Euphorisierung in dekadenter Alltagsödnis oder um sich auf der Suche nach tiefen philosophischen Weisheiten Zugang zum eigenen Unterbewusstsein zu verschaffen. Wieder andere, die vom Aufschwung kaum berührt wurden, ertränkten ihre Sorgen und Nöte im stärksten Fusel, der erhältlich war. Kurioserweise wurde dieser Elends-Alkoholismus durch die Errungenschaften der industriellen Revolution erst ermöglicht, welche eine erhebliche Verbilligung von Branntweinen mit sich brachte. Von der Londoner Bevölkerung lebte um die Mitte des vorletzten Jahrhunderts etwa ein Drittel „in gesundheitsschädlichen Schichten, einer über den anderen, in alten Häusern und beengten Räumen“22. Diese Hoffnungslosigkeit der Armutsviertel, wo „Zehntausende unter Schrecknissen zusammengepfercht23“ waren, wirkte als suchtförderndes Milieu, wie es dies heute andernorts ebenso tut – dort, was üblicherweise als »Dritte Welt« bezeichnet wird.

Die Elenden der Vergangenheit haben viele Namen. Im Gedächtnis bleiben die illustren Morphinisten, Kokainisten und Alkoholiker einer Epoche, die so flatterhaft daherkam und im Rückblick dennoch als ruhige und behagliche Zeit wahrgenommen wird. Süchte unterlagen vor mehr als einem Saeculum einer anderen Bewertung, als dies heute der Fall sein mag. Der Konsum von Narkotika wie auch der großzügige Verbrauch von Alkoholika (damals als »maßvoll« bezeichnet), stießen im viktorianischen Zeitraum auf eine höhere Akzeptanz als heuer. Als moralisch abwegige Sucht galt beispielsweise das Glücksspiel, wohingegen Opium – es fand ja schon bei den alten Griechen Erwähnung – einen historisch-literarisch validierten Ruf vorzuweisen hatte24.

Ein prominenter Zeitgenosse der Herren Holmes und Freud und selbst dem Schlafmohn verfallen war der britische Schriftsteller Thomas De Quincey. Der Essayist nahm sein Opium als Laudanumtinktur zu sich und pflegte diese Gewohnheit über die meisten Jahre seines Lebens, was er in seiner bekannten Autobiographie beschrieb und rechtfertigte25. Franz Kafka – selbst kein ausgewiesener Suchtkranker – von der Schwindsucht wahnsinnig vor Schmerzen, erhielt durch seinen Freund Robert Klopstock Pantopon: Eine Substanz, die alle Alkaloide des Opiums enthielt. Das Mittel befreite Kafka aus seiner Qual, wenn auch auf Kosten seines Lebens26.

Kokain konsumierten abgesehen von Sigmund Freud und sämtlichen Coca-Cola-Liebhabern bis ins Jahr 1903 gewiss einige weitere illustre Herrschaften. Hans Fallada, Morphinist und Alkoholiker, berauschte sich zusammen mit seiner Freundin Ulla Losch am Kokain und fand darin immer wieder einen „kleinen Tod“27. Als Richard Strauss 1928 eine Septum-OP an der Nase erdulden musste28, wurden ihm zur Betäubung für die Dauer von fünf Minuten ein Paar mit Kokain getränkte Wattebäusche in die Nase geschoben. Zwei Stunden nach der Operation soll Strauss im Rausch zwei Arien für seine Oper Arabella niedergeschrieben haben29. Gemäß der Analyse des amerikanischen Arztes Myron G. Schultz erhielt auch Robert Louis Stevenson im Herbst des Jahres 1885 Kokain als Medikament verabreicht. Er litt unter einen chronischen Katarrh. Kokain gereichte in jenen Zeiten quasi zum Allheilmittel und fand ebenso bei Atemwegserkrankungen Verwendung. Da Stevenson sein weltberühmtes Werk Dr. Jekyll und Mr. Hyde just zu dieser Zeit und in lediglich sechs Tagen verfasste, wird angenommen, er habe es unter dem Einfluss des weißen Wundermittels niedergeschrieben. Indem Dr. Jekyll durch ein Pulver über Nacht zu einem bösartigen Unhold mutiert – eine durchaus überspitzte Wirkbeschreibung von Kokain – erhält diese These eine gewisse Berechtigung30.

Hans Falladas Alkoholismus wurde schon angeschnitten. Ein weiterer unfreiwilliger Apologet der Gefahren eines übermäßigen Alkoholkonsums ist Vincent van Gogh. Wein und insbesondere der Absinth – eine Spirituose aus Wermut, Fenchel und Anis, die früher ebenso medizinische Verwendung fand – hatten es dem genialen Maler angetan. Auf van Gogh hätte wohl eine Szene aus Antoine de Saint-Exupérys Primärwerk Der kleine Prinz gepasst. Dort fragt der kleine Prinz einen Alkoholiker: „Warum trinkst du?“ Worauf dieser erwidert: „Weil ich mich schäme!“„Und warum schämst du dich?“„Weil ich trinke!“31.

Ob nun die genannten Gesellen, ob Politiker wie Churchill oder die Bewohner des apostolischen Palasts zu Avignon – Alkohol und andere Genuss- und Rauschmittel spielten in der Vergangenheit immerzu eine prominente Rolle. Missbrauch und Sucht sind dauerhafte Begleiter aller gesellschaftlichen Klassen und historischer Epochen.

Der kanonische Holmes und die Polytoxikomanie

Der zweite Roman Sir Arthur Conan Doyles über den Meister der Deduktion gilt zu Recht als eines seiner Meisterwerke, das mit einem sinistren Paukenschlag beginnt: „Sherlock Holmes langte die Flasche von der Ecke des Kaminsimses herunter und nahm seine Spritze aus dem fein gearbeiteten Saffian-Etui. Mit seinen langen, weißen, nervösen Fingern setzte er die feine Nadel auf und rollte sich die linke Manschette hoch. Eine Zeitlang verweilte sein Blick nachdenklich auf dem sehnigen Unterarm und dem Handgelenk, die von den Flecken und Narben unzähliger Einstiche gesprenkelt waren. Endlich stieß er die dünne Nadelspitze hinein, drückte den kleinen Kolben durch und ließ sich dann mit einem langen Seufzer der Befriedigung in die Samtpolster seines Lehnstuhls zurücksinken.32

Was im Zeichen der Vier zu lesen ist, klingt so gar nicht nach dem pragmatisch veranlagten Denker, der seine Fälle mit kühler Disziplin und evidenter Logik zu lösen pflegt. Wenngleich das Bild der reservierten Denkmaschine nahezu vom Anfang des Kanons an mit den zitierten menschlichen Defiziten gesprenkelt war33, scheinen sich diese über die Zeit verloren zu haben. Wenn von Sherlock Holmes die Rede ist, dann in den Tönen der Bewunderung für seine beachtlichen Fähigkeiten in der Verbrechensaufklärung. Dabei vervollständigen die Schwächen des Meisters doch erst das Gesamtbild seines Charakters als Element seiner eminenten detektivischen Karriere.

Im Zeichen der Vier begegnet uns anfänglich ein Holmes, dessen Geist gegen den Stillstand rebelliert34. Er injiziert sich, wie oben wiedergegeben, eine siebenprozentige Lösung Kokain, was ziemlich genau den Empfehlungen Freuds entsprach35. Watson ringt mit sich, ob er sein Schweigen nicht brechen solle, um seinen Genossen auf die Gefahren seines Treibens hinzuweisen: „Dreimal täglich, viele Monate lang war ich Zeuge dieses Schauspiels gewesen, aber seine Regelmäßigkeit hatte nicht dazu geführt, dass ich mich damit abgefunden hätte. Ganz im Gegenteil; von Tag zu Tag fiel es mir schwerer, diesen Anblick zu ertragen, und des Nachts regte sich mein Gewissen bei dem Gedanken, dass ich nicht die Courage gehabt hatte, meine Missbilligung auszudrücken.36

Die Gefahren des Konsums von Stimulanzien und Narkotika waren Conan Doyle offenbar schon früh mehr als bewusst, was den Arzt von vielen seiner Standesgenossen zur Zeit der Niederschrift der frühen Abenteuer des Meisterdetektivs exponierte. So lässt er sein Alter Ego Dr. Watson sich zur kecken Frage durchringen: „Was ist es denn heute, Morphium oder Kokain?“. Holmes‘ Antwort passt zur Wirkung der von ihm an diesem Nachmittag gewählten Substanz: „Kokain, eine siebenprozentige Lösung. Möchten Sie mal versuchen?“, worauf Watson schockiert reagiert: „Meine Konstitution ist vom Afghanistan-Feldzug noch immer geschwächt. Ich kann es mir nicht leisten, sie noch zusätzlich zu belasten.“ Holmes pflichtet seinem Freund darauf teilweise bei: „Vielleicht haben Sie recht, Watson. Wahrscheinlich ist seine Wirkung auf den Körper tatsächlich von Übel. Auf den Geist jedoch, finde ich, wirkt es so über alle Maßen anregend und erhellend, dass die Nebenwirkungen kaum ins Gewicht fallen.37

Die Vorreiterrolle des Dr. Watson – damit Sir Arthur – auf die Gefahren des damals recht verbreiteten Rauschmittelkonsums hinzuweisen, wird mit den folgenden Worten der Erwiderung deutlich: „Aber bedenken Sie doch um welchen Preis! Ihr Gehirn mag wohl, wie Sie sagen, angeregt, ja erregt werden; aber dies ist ein krankhafter und zerstörerischer Vorgang, mit dem eine beschleunigte Gewebe-Erneuerung einhergeht und dessen Folge eine bleibende Schwächung ist. Sie wissen ja selbst am besten, welch schwarze Stimmung jeweils im nachhinein von Ihnen Besitz ergreift. Nein, dieses Spiel lohnt den Einsatz wirklich nicht. Warum in aller Welt riskieren Sie um einer nichtigen, vergänglichen Lust willen die großen Fähigkeiten, die Ihnen verliehen worden sind? Bedenken Sie auch, dass ich nicht nur als Freund so zu Ihnen spreche, sondern als Arzt, der bis zu einem gewissen Grade für Ihre Gesundheit verantwortlich ist.38

Sherlock Holmes pflegte sämtliche im vorliegenden Text ausführlicher behandelten Sucht- und Genussmittel in zuweilen recht unkontrollierter Art zu verwenden. Wenn sein Kokain- und Morphiumgebrauch wohl – gegebenenfalls auf das Einwirken seines Freundes und Arztes hin – um 1889 zurückging oder gar einschlief39, frönte er dem Tabakgenuss und dem Alkohol fortgesetzt in ausgeprägt viktorianischer Manier. Dieses Konsumverhalten wird in der modernen Psychiatrie als Polytoxikomanie bezeichnet. Dieser Multisubstanzgebrauch – der eher als Missbrauch zu bezeichnen ist – zeichnet sich durch die Verwendung gleich mehrerer suchterzeugender Substanzen aus. Die Faktoren, welche ein Abrutschen in eine fortgeschrittene Abhängigkeit und in die Polytoxikomanie begünstigen, sind vielfältig und dennoch in ihrer Summe seriös validiert. Zum einen spielt die Persönlichkeitsstruktur und die spezielle Disposition eine Rolle. Hinzu kommen die sozialen Kompetenzen, Bindungen und familiäre Problemlagen. Birgt einer oder gleich mehrere dieser Gesichtspunkte Probleme und liegt eine Affinität zum Suchtmittelmissbrauch vor, ist der Weg in den Multisubstanzgebrauch oft nicht weit. Zudem gilt es als gegeben, dass die eine Sucht eine weitere forciert40. Nimmt man Sherlock Holmes zum Exempel, bleibt festzustellen, dass er unter der oben beschriebenen Kokain-Wirkung oder nach dem Abschluss eines Falles gewiss schwerlich wieder zur Einkehr kam. Kokain stimuliert und steigert die körperliche und geistige Ausdauer. Wenn die Wirkung verfliegt, sind große Vorräte der körpereigenen Botenstoffe Dopamin, Serotonin und Noradrenalin aufgebraucht. Trotz des Nachlassens des euphorisierenden Effekts kommt der Geist so kaum zur Ruhe. Dies begünstigt das Verlangen nach Opiaten wie Morphin, die in der richtigen Dosierung eine schmerzstillende, beruhigende und schlaffördernde Reaktion hervorrufen.

Möglich, dass Holmes mit Morphin die ersten Rauschgifterfahrungen sammelte. Watson erwähnt im Vorwort zum Sammelband „Seine Abschiedsvorstellung“, dass dem gealterten Meister gelegentlich rheumatische Anfälle zu schaffen machen41. Eventuell litt er seit längerem an rheumatischen Schmerzen, worauf er Morphin einsetzte, um der Beschwerden Herr zu werden. Viele Arthrosen setzten im Alter um die 30 ein42 und just in diesem Alter wird sein Drogenkonsum von Chronist Watson thematisiert. Eine Selbsttherapie ist dem Eigenbrötler Holmes zudem zuzutrauen. Der potenziell sedierende Einfluss des Morphins auf die Geisteskräfte der Denkmaschine könnte ihn bewogen haben es dem Kokain entgegenzustellen. Was auch als wahrscheinlicheres Szenario zu werten ist: Gewiss begünstigte die eine Abhängigkeit die andere.

Bei einer weiteren Theorie, welche hier Beachtung finden soll, handelt es sich um jene, dass Holmes unter einer bipolaren Störung gelitten haben könnte. Hier verhält es sich wie mit der Henne und dem Ei: Es ist schwer zu sagen, ob jene Wechsel zwischen Hochgefühl und lähmender Niedergeschlagenheit, die dem Detektiv vom Chronisten attestiert wurden, als Folge oder mögliche Ursache seines Rauschdrogenkonsums zu interpretieren sind. Nicht wenige manisch-depressiv Erkrankte greifen im Laufe ihres Lebens zu derartigen Mitteln – oft in Eigentherapie. Watsons Beschreibung seines Kollegen als Menschen mit regelmäßigen Gewohnheiten, aber enorm stimmungsgesteuerten Zeitgenossen, passt gut auf die fachliche Charakterisierung eines Bipolaren43, der bis dato »manisch-depressiver Irrer« genannt worden wäre. Die Vermutung, Holmes sei aus einer psychischen Erkrankung heraus noch vor seinem Suchtmittelmissbrauch manisch-depressiv gewesen, klingt schlüssig, lässt sich aber nicht abschließend belegen.

Alkohol scheint für Holmes nur ein Mittel des reinen Genusses dargestellt zu haben. Über einen Missbrauch des einen oder anderen edlen Tropfens berichtet die Chronik nichts. Bestimmt hätte die Wirkung des Alkohols, die ja auf einer Hemmung der Reizübertragung des zentralen Nervensystems beruht, Holmes nicht den gewünschten leistungs- und geisteserweiternden Effekt gebracht.

Dem Tabak war er dagegen ungleich zweckgerichteter zugeneigt. In "Die Liga der Rotschöpfe" fällt Holmes’ Antwort auf Watsons Einwurf ganz eindeutig aus: „Was wollen Sie denn machen?“ „Rauchen. Dies ist durchaus ein Drei-Pfeifen-Problem, und ich bitte Sie, die nächsten fünfzig Minuten nicht mit mir zu sprechen.44“ Beim Fall vom Mann mit der entstellten Lippe wird vom Chronisten ebenso ein manisches Rauchverhalten beschrieben, just nachdem er Holmes – gewiss nur aus Ermittlungsgründen – in einer Opiumhöhle aufgefunden hatte: „Er entledigte sich des Rockes und der Weste, streifte einen langen blauen Schlafrock über und begab sich dann auf eine Wanderschaft durch das Zimmer, bei der er die Kissen von einem Bett, dem Sofa und den Lehnsesseln sammelte. Mit ihnen verfertigte er eine Art östlichen Divans, auf dem er sich mit überkreuzten Beinen niederließ, vor sich eine Unze Shagtabak und eine Schachtel Streichhölzer. Im undeutlichen Licht der Lampe sah ich ihn dort sitzen, eine alte Bruyère-Pfeife zwischen den Lippen, die Augen mit einem leeren Ausdruck auf die Ecke der Zimmerdecke geheftet; der blaue Rauch stieg von ihm in Girlanden aufwärts (...) als ein jäher Ausruf mich weckte und ich feststellte, dass die Sommersonne in den Raum schien. Die Pfeife stak noch immer zwischen seinen Lippen, die Rauchgirlanden kräuselten sich noch immer aufwärts, und der Raum war erfüllt von dichten Tabakdunst; von dem Shaghaufen, den ich nachts gesehen hatte, war jedoch nichts übriggeblieben.45

Holmes frönte des Tabaks ähnlich zielgerichtet wie des Morphiums und Kokains. Nicotin (C10H14N2) wirkt stimulierend auf die nicotinischen Acetylcholinrezeptoren, mit einer anregenden Wirkung auf das Nervensystem. Diesen Effekt machte sich der Detektiv zu Nutze um die Abläufe seines ohnehin leistungsstarken Geistes zusätzlich zu beschleunigen. Der Tabak und dessen Wirksubstanz Nicotin waren für Holmes zweierlei zugleich: Genussmittel und Stimulanz. Seine große Pfeifensammlung und die Art, wie er diese zu präsentieren pflegte, sei hier nur ein Indiz der Wonne, die ihm der edle Zeitvertreib offenbar brachte.

In seiner Gesamtheit betrachtet muss man Mr. Sherlock Holmes als Polytoxikomanen einstufen, da er sich über einen längeren Zeitraum Kokain und Morphin injizierte und zudem ein geradezu manisches Rauchverhalten an den Tag legte. Sein Alkoholkonsum entsprach so ziemlich den damaligen Gepflogenheiten der besseren Gesellschaft, was nicht darüber hinwegtäuschen sollte, dass dessen Ausprägung heuer als inakzeptabel angesehen würde – durchaus aus stichhaltigen medizinischen Gründen. Interessant scheint, dass Dr. Watson den Gedanken einer möglichen Betäubungsmittelabhängigkeit seines neuen Mitbewohners anfangs noch verworfen hatte: „Bei derlei Gelegenheiten habe ich in seinen Augen einen solch verträumten, leeren Ausdruck bemerkt, dass ich ihn hätte verdächtigen mögen, irgendeinem Narkotikum zu frönen, hätte nicht die Mäßigung und die Reinlichkeit seiner ganzen Lebensführung eine derartige Annahme verboten.46

Der englische Meister der Deduktion war sicher kein gewöhnlicher Drogenabhängiger, die Verwendung körperferner Substanzen scheint ihn sogar bei der Wissenschaft des Schlussfolgerns vorangebracht zu haben. In seinen jungen Jahren – mutmaßlich den frühen Zwanzigern47 – befasste er sich mit dem Aufbau seines sagenumwobenen Index über sämtliche Schandtaten der letzten hundert Jahre und der Verbrecher, die sie verübten48. Während er die experimentellen und praktischen Methoden eines Detektivs erlernte, legte er auch den Grundstein für seine spätere Arbeit. Die Verwendung von Drogen, welche den Geist stimulieren oder zum antizyklischen Denken anregen, ermöglichte ihm dann womöglich gleichermaßen das thinking outside of the box. Holmes’ außergewöhnliche Fähigkeit, mittels Vorstellungskraft über die simple Addition von zwei und zwei hinauszudenken, ließ ihn herausragen unter Seinesgleichen. Via Imagination vermochte er die Zusammenhänge zwischen einzelnen Gliedern einer deduktiven Kette zu erfassen und darüber hinaus Gemeinsamkeiten mit historischen Fällen zu finden.

Sherlock Holmes war ein Süchtiger, allerdings in der Regel recht maßvoll und kontrolliert – sollte es so etwas überhaupt geben. Mit seiner – nachträglich betrachtet – inkorrekten Risikobeurteilung der von ihm verbrauchten Substanzen fand er sich in Gesellschaft so mancher anderer großer Köpfe seiner Epoche. Es mag sein, dass der berühmte Detektiv auch deshalb so oft in Verbindung mit Sigmund Freud gebracht wird, weil beide sonst brillante Vordenker die Gefahren der für sie initial so segensreichen Drogen über lange Zeit hinweg unterschätzt haben. Laut der Chronik des Dr. Watson und der Geschichtsschreibung der Medizin sahen beide ihren Fehler schlussendlich ein und distanzierten sich weitgehend von ihrer anfänglichen Begeisterung. Intelligenz ist die Fähigkeit, sich dem Wandel anzupassen, sollte beinahe ein Jahrhundert später Stephen Hawking in seinem Werk „Eine kurze Geschichte der Zeit“ verlautbaren.

Nachschlag – Derivate der Pastiches

The Seven-Per-Cent Solution

Große Bekanntheit erlangte unter den Sherlockianern der 1974 veröffentlichte Roman The Seven-Per-Cent Solution (dt.: Sherlock Holmes und der Fall Sigmund Freud / Nicholas Meyer), der dann zwei Jahre später ebenfalls verfilmt wurde (dt.: Kein Koks für Sherlock Holmes). Hier dient die Geschichte Der Detektiv auf dem Sterbebett (in der Holmes eine Austern-Invasion zu befürchten vorgibt) als Anlass, ihn nach Wien in die Entzugstherapie des Doktor Freud zu schicken. Diesem gelingt es in der Tat, den Deduktivkünstler von seiner psychischen Abhängigkeit zu kurieren – mittels Hypnose und Psychoanalyse49. Das geniale Werk des als Star Trek-Autor nicht minderbegabten Meyer kehrte erstmals die verletzliche und zum Teil verwirrte Seite des Detektivs heraus. Man stelle sich vor: Moriarty als bloße Projektion für Konflikte mit der Mutter – Freud at his best!

Neben dem Kokain wird vor allem das Opium innerhalb der cineastischen Pastiches thematisiert. Da finden sich wenigstens zwei Apologeten, die für eine Steigerung der natürlichen Wirkstärke des Morphins stehen.

House

Zum einen wäre da der schmerzkranke Misanthrop Dr. Gregory House aus der preisgekrönten TV-Serie House. Dieser indirekte Pastiche macht den Spitzendiagnostiker zum Vicodin-Abhängigen. Nach einem Muskelinfarkt vermögen bei ihm nur noch potente Opioid-Derivate Abhilfe gegen die lähmenden Schmerzen am Bein zu verschaffen. Zum Unmut seines Freundes und Kollegen Dr. James Wilson – man beachte die zahlreichen Parallelen50 – pflegt er seine Medizin recht unkontrolliert und darstellerisch zu sich zu nehmen.

Vicodin ist ein in den USA gebräuchlicher Handelsname für das Morphin-Derivat51 Hydrocodon (C18H21NO3), welches selbst mit dem Codein verwandt ist und dieselbe Strukturformel teilt. Im fertigen Präparat wird dem Hydrocodon Paracetamol (C8H9NO2) zugegeben, um eine Verstärkung der analgetischen Wirkung zu erzielen. Zudem wirkt es als Hustenstiller, ähnlich wie Codein aus dem Hustensaft.

Immer wieder überspannt der Protagonist der Serie den Bogen und steigert eigenverantwortlich die Dosierung des Medikaments, bis es ihm gewiss nicht mehr als reines Schmerzmittel dient. Im Gegensatz zum europäischen Markt werden den Morphin-Derivaten in den USA nur selten Opioid-Antagonisten wie Naloxon (C19H21NO4) zugesetzt. Diese hemmen die berauschende Wirkung und damit den suchterzeugenden Effekt der Derivate weitgehend, indem sie an sämtlichen Opioid-Rezeptoren Einfluss nehmen. Durch die Absenz dieses Stoffes können ausgeprägte Suchtkarrieren gewiss begünstigt werden. House versucht sich im Laufe der Jahre noch an weiteren Substanzen, durchläuft eine Reihe von freiwilligen und weniger freiwilligen Entgiftungen, erleidet gar eine Drogenpsychose. Seiner Genialität tut dies zwar kaum einen Abbruch, nichtsdestoweniger führt der schrullige Arzt eindrucksvoll vor Augen, wohin eine zunächst nur marginale Steigerung indizierter Medikamente führen kann und welchen Einfluss diese Mittel früher oder später auch auf den Geist nehmen. Verkörpert vom fabelhaften Hugh Laurie wirkt House wie eine tragische ironische Karikatur des kanonischen Holmes.

Elementary

In der US-Serie Elementary wird der viktorianische Detektiv ins 21. Jahrhundert und nach New York transferiert. Dort löst er die vertracktesten Kriminalfälle gemeinsam mit seinem weiblichen Watson52. Diesen Holmes hat es ein anderes Derivat des Morphins angetan, nämlich dessen potentester Abkömmling: das Heroin.

Im Vergleich zum Stammalkaloid Morphin weist Heroin, fachlich Diacetylmorphin (C21H23NO5), eine bis zu dreifach erhöhte analgetische Effektivität auf. Seit 1898 wird es aus dem Morphin unter der Zugabe von bspw. Natriumcarbonat oder Essigsäure halbsynthetisch hergestellt53. Eine physische Abhängigkeit tritt bereits nach der ersten Anwendung ein. Heroin kann mit Fug und Recht als stärkstes aller Morphin-Derivate bezeichnet werden54 und gilt als eine der größten Geißeln der modernen Menschheit.

Der Sherlock aus Elementary verfällt dieser Substanz zuerst in seiner Zeit in London – später erleidet er in New York einen schweren Rückfall. Zu Beginn injiziert er es, um seine zerebralen Vorgänge zu beschleunigen. Als er in eine Lebenskrise abrutscht, eskaliert sein Konsumverhalten. Wenngleich ein kontrollierter Gebrauch des Heroins ohnehin unmöglich erscheint, bildet dieser Ablauf den üblichen Prozess der Suchtentwicklung recht exemplarisch ab. In Elementary wird der Holmes’sche Drogenmissbrauch zu einen tragischen Höhepunkt geführt.

Die Summe aller Teile

Mr. Sherlock Holmes, größter Detektiv und eine der komplexesten Kunstfiguren der neueren Geschichte, beherrschte – wie anfangs erwähnt – so Einiges. Voller Eifer stellte er sich fortwährend jeder geistigen Herausforderung und jedem üblen Burschen. Treu verbunden mit seinem Boswell Dr. Watson führte Doyles ungeliebtes Kind dem großen unachtsamen Publikum die Feinheiten des deduktiven Denkens vor Augen und gab damit der aufkeimenden Oberflächlichkeit der modernen Zeit Kontra. Doyles kriminalistische Impulse für die wirken bis heute nach und setzten vor allem in theoretischen Prozessen der Verbrechensaufklärung Maßstäbe.

Zugleich war Holmes aber ein Kind seiner Zeit und anfällig für die Versuchungen der viktorianischen Gesellschaft. Die Verwendung von Drogen, nicht als Heilmittel gegen eine spezifische Krankheit, sondern als vermeintliche Aufwertung der Lebensqualität etablierte sich in dieser Zeit auf dem Kontinent wie auf den britischen Inseln. Ob nun psychisch vorbelastet oder nicht – er vermochte es gleich anderer großer Leuchten seiner Epoche nicht, dem Sirenengesang der Rauschmittel zu widerstehen. Wenn die Biografie des Sherlock Holmes somit auch ein paar Flecken hat, trösten die Errungenschaften der rastlos nach Abwechslung und Wachstum strebenden Seele darüber hinweg – oder in Anna-Sophie Naumanns Worten gesprochen:


„Das Böse liegt wohl in der Daune
In bester Sonntagslaune
Zum Verbrechen reicht es nicht –
Friede. Freude. Fürchterlich!

Blieb ich zerstreut
Und unzerstreut
Brächt mich eins gewisslich um
(Watson, nicht das Opium).“

Literatur

  • Ackroyd, Peter: London. Die Biographie. Knaus Verlag, München 2003

  • Conan Doyle, Sir Arthur: Das Zeichen der Vier. Kein & Aber, Zürich [1890] 2005

  • Conan Doyle: Sir Arthur: Die Abenteuer des Sherlock Holmes. Kein & Aber, Zürich [1892] 2005

  • Conan Doyle: Sir Arthur: Die Memoiren des Sherlock Holmes. Kein & Aber, Zürich [1894] 2005

  • Conan Doyle: Sir Arthur: Die Rückkehr des Sherlock Holmes. Kein & Aber, Zürich [1905] 2005

  • Conan Doyle, Sir Arthur: Eine Studie in Scharlachrot. Kein & Aber, Zürich [1887] 2005

  • Conan Doyle, Sir Arthur: Seine Abschiedsvorstellung. Kein & Aber, Zürich [1917] 2005

  • Deissler, A., Vögtle, A. (Hrsg.): Neue Jerusalemer Bibel. Einheitsübersetzung. Altes und Neues Testament. III. Auflage der Sonderausgabe, Herder Verlag, Stuttgart 2007

  • de Saint-Exupéry, Antoine: Der kleine Prinz. Karl Rauch Verlag, Düsseldorf [1946] 2015

  • Faust, Volker (Hrsg.): Psychiatrie. Ein Lehrbuch für Klinik, Praxis und Beratung. Gustav Fischer Verlag, Stuttgart 1995

  • Friedemann, Manuel Albert: Elementary, my dear Joan. The Baker Street Chronicle Nr. 36, 9. JG, S. 34f

  • Lewin, Louis: Phantastica. Die betäubenden und erregenden Genussmittel. Voltmedia, Paderborn [1926] 2005

  • Schmidbauer, W., vom Scheidt, J.: Handbuch der Rauschdrogen. Nymphenburger in der F. A. Herbig Verlagsbuchhandlung, VIII. Auflage, München [1971] 1997

  • Schröder, Hans-Christoph: Englische Geschichte. IV. Auflage, C.H. Beck, München 2003

  • Schweer T., Strasser H.: Vom Wunder- zum Unheilmittel. In: Cocas Fluch. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 1994

  • Siegenthaler, W. (Hrsg.) et al.: Lehrbuch der inneren Medizin. III. Auflage, Georg Thieme Verlag, Stuttgart 1992

  • Suttles, Traian: Drogenrausch und Deduktion. Zur Innenwelt des Sherlock Holmes. Mainbook Verlag, Frankfurt a.M. 2017

  • von Albrecht, Michael: Vergil. Bucolica - Georgica - Aeneis. Eine Einführung, Universitätsverlag Winter, Heidelberg 2007

  • Weinstein, Zeus (Hrsg.): Sherlock Holmes Handbuch. Kein & Aber, Zürich 2008

Fußnoten

1 „So mischte der Korse Angelo Mariani Bordeaux-Wein mit Kokablättern und ließ sein Getränk 1863 als Vin Mariani patentieren. Marianis Kokawein wurde ein riesiger kommerzieller Erfolg. Aber Mariani war nicht nur kaufmännisch talentiert. Durch eigene wissenschaftliche Publikationen verlieh er seinem Wein den Ruf einer Arznei mit vielfältigen therapeutischen Eigenschaften.“ (Schweer T., Strasser H.: Vom Wunder- zum Unheilmittel. In: Cocas Fluch. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 1994, S. 86)

2 Man denke an den starken Tobak aus der Fabel. Hier versucht ein Jäger, den Teufel Höchstselbst an der Nase herumzuführen. Er macht dem Fürsten der Finsternis vor, bei seiner Schrotflinte handele es sich um eine Tabakspfeife. Der Teufel, welcher nie ein Gewehr gesehen zu haben scheint, nimmt einen Zug und wird mit einer Ladung Schrot für seine Unwissenheit belohnt. Darauf meint der Teufel nur: „Das ist aber starker Tobak (Tabak)“.

3 Lewin, Louis: Phantastica. Die betäubenden und erregenden Genussmittel. Voltmedia, Paderborn [1926] 2005, S. 107

4 „Inzwischen weiß man jedoch (Scott 1969), dass schon vor 6000 Jahren auf sumerischen Ideogrammen der Mohn als Rauschmittel erwähnt wird.“ (Schmidbauer, W., vom Scheidt, J.: Handbuch der Rauschdrogen. Nymphenburger in der F. A. Herbig Verlagsbuchhandlung, VIII. Auflage, München [1971] 1997, S. 282)

5 Vgl. ebd. S. 281

6 „„Das zweite Konzil zu Lima versuchte um die Mitte des 16. Jahrhunderts, den Genuss der Kokablätter seitens der Peruaner, Chilenen und Bolivier zu verhindern. Ihr Gebrauch wurde in dem 120. Kanon als „ein Gegenstand ohne Nutzen erklärt, der geeignet sei, den Missbräuchen und dem Aberglauben der Indianer Vorschub zu leisten“.“ (Lewin S. 131)

7 Sprüche Salomos 23,35; Vgl.: Jesaja 28, 7ff.

8 Vgl. Schmidbauer, vom Scheid S. 37

9Klosterfrau Melissengeist“ enthält beispielsweise ganze 79 Vol.% Alkohol. Viele Hustensäfte, die auch für Kinder zugelassen sind, verwenden als Träger der ausgewiesenen Wirkstoffe ebenso Alkohol.

10 Wilhelm III. von Oranien-Nassau importierte den Gin (Genever) – eine Erfindung des Arztes Franciscus Sylvius – nach England, nachdem er 1689 zusammen mit seiner Frau Maria II. den britisch-irischen Thron bestiegen hatte.

11 Virgil, Georgicon Lib. I, v. 78.

13 Vgl. Schmidbauer, vom Scheid S. 189f.

14 Vgl. Freud, Sigmund: Coca. The Saint Louis Medical and Surgical Journal, Jg. 47, (1884), S. 502ff.;

Freud, Sigmund: Beitrag zur Kenntniss der Cocawirkung. Wiener Medizinische Wochenschrift, 31. Januar 1885, Nr. 5, Spalten 129-133;

Freud, Sigmund: Über die Allgemeinwirkung des Cocains. Zeitschrift für Therapie, Jg. 3, Nr. 7, 1. April 1885, S. 49ff.

Freud, Sigmund: Über die Allgemeinwirkung des Cocains. Medizinisch-Chirurgisches Central Blatt, Jg. 20, Nr. 32, 7. August 1885, S. 374f.

Freud, Sigmund: Bemerkungen über Cocainsucht und Cocainfurcht. Wiener medizinische Wochenschrift, Jg. 37, Nr. 28, 9. Juli 1887, Spalten 929-932.

15 Vgl. Schmidbauer, vom Scheid S. 190

16 Vgl. ebd. S. 197f.

17 Ebd. S. 195

18 „Und wie gar manchen derer, die in ihrer Zeit – von einst bis jetzt – mit hohem Geist und Scharfsinn auf Gottes Schaffensspuren wandelten oder durch ihre Phantasie auch Unsterbliches geschaffen haben, muss man zu der Säuferklasse rechnen! Sie, die wahren Helden der Welt, zahlten dem Alkohol schließlich ihren Lebenstribut, weil sie nach dem Epigramm des Epigonus handelten, das er auf einen in ein Weinfass gefallenen Frosch machte: Wehe denen, die die kluge Narrheit begehen und Wasser trinken.“ (Lewin S. 256f.)

20 Der britische Historiker David Cannadine beschrieb den allmählichen Machtverlust des britischen Adels wie folgt: „Im Unterschied zu den anderen großen Aristokratien Europas waren die britischen Patrizier nicht die Opfer von Bürgerkrieg, bewaffneter Invasion, proletarischer Revolution oder militärischer Niederlage. In angemessener Übereinstimmung mit ihren eigenen Whigvorstellungen über die britische Vergangenheit stieg die um die Mitte des 19. Jahrhunderts mächtigste Aristokratie allmählich und sacht ab ...“ (Schröder, Hans-Christoph: Englische Geschichte. IV. Auflage, C.H. Beck, München 2003, S. 65)

21 Ebd. S. 66ff.

22 Ackroyd, Peter: London. Die Biographie. Knaus Verlag, München 2003, S. 602

23 Ebd. S. 602f.

24 „„In der Odyssee wird berichtet, dass, als Telemach bei Menelaos in Sparta war und die Erinnerungen an Odysseus und andere Kriegsmänner eine weinerliche Stimmung erzeugt hatte, die Menelaos durch ein Mahl zu beenden wüschte, Helena einen eigentümlichen Trank hergestellt habe: „Sie warf alsbald in den Wein, von dem sie tranken, ein Mittel Kummer zu scheuchen und Gram und jeglichen Leides Gedächtnis ...““(Lewin S. 70).

25 Confessions of an English Opium-Eater (1821/22)

27 Schmidbauer, vom Scheid S. 194

28 Der Autor spricht aus eigener Erfahrung.

29„Strauss sagte zu seinem Arzt „Die Nachwelt wird Sie dafür verantwortlich machen“.“ (Der Spiegel Nr. 17, 1978)

30 Vgl. Schmidbauer, vom Scheid S. 194f.

31 de Saint-Exupéry, Antoine: Der kleine Prinz. Karl Rauch Verlag, Düsseldorf [1946] 2015, S. 42

32 Conan Doyle, Sir Arthur: Das Zeichen der Vier. Kein & Aber, Zürich [1890] 2005, S. 7

33 Bereits in Doyles zweiter Veröffentlichung The Sign of Four kommt es zur zitierten Beschreibung des Kokainkonsums von Holmes. Zudem berichtet Watson in der ersten Novelle A Scandal in Bohemia beiläufig vom Drogenkonsum (hier offenkundig Morphin) seines Kameraden: „Er war wieder bei der Arbeit. Er hatte sich aus den von der Droge erschaffenen Träumen erhoben ...“ (Conan Doyle: Sir Arthur: Die Abenteuer des Sherlock Holmes. Ein Skandal in Böhmen. Kein & Aber, Zürich [1892] 2005, S. 9).

34 Vgl. ebd. S. 9

35 Vgl. Suttles, Traian: Drogenrausch und Deduktion. Zur Innenwelt des Sherlock Holmes. Mainbook Verlag, Frankfurt a.M. 2017, S. 141

36 Conan Doyle: SIGN, S. 7

37 Ebd. S. 8

38 Ebd. S. 8f.

39 Morphin und Kokain finden einzeln oder gemeinsam in folgenden Geschichten Erwähnung: Das Zeichen der Vier; Ein Skandal in Böhmen; Die fünf Orangenkerne; Der Mann mit der entstellten Lippe und Das gelbe Gesicht.

40 Faust, Volker (Hrsg.): Psychiatrie. Ein Lehrbuch für Klinik, Praxis und Beratung. Gustav Fischer Verlag, Stuttgart 1995, S. 250

41 Conan Doyle, Sir Arthur: Seine Abschiedsvorstellung. Kein & Aber, Zürich [1917] 2005, S. 7

42 Vgl. Siegenthaler, W. (Hrsg.) et al.: Lehrbuch der inneren Medizin. III. Auflage, Georg Thieme Verlag, Stuttgart 1992, S. 599ff.

43 Faust S. 142ff.

44 Conan Doyle: ADV. REDH. S. 72

45 Ebd. TWIS. S. 230

46 Conan Doyle, Sir Arthur: Eine Studie in Scharlachrot. Kein & Aber, Zürich [1887] 2005, S. 25

47 Vgl. Suttles S. 223

48 In „Eine Frage der Identität“ erwähnt Holmes zum Exempel seinen Index: „Wenn Sie meinen Index konsultieren, werden Sie gleichartige Fälle in Andover anno `77 und etwas Ähnliches in Den Haag im letzten Jahr finden.“ (Conan Doyle: ADV. IDEN, S. 109); weitere Erwähnung u.a. in SCAN.

49 Wie es sich bei Freud nun mal gehört.

50 House ist gespickt von bewusst arrangierten gemeinsamen Merkmalen mit dem Holmes-Universum des Kanons (Vgl. M.A.F.: Elementary, my dear Joan. The Baker Street Chronicle Nr. 36, 9. JG, S. 34f).

51 Derivate sind chemische Verbindungen, welche aus einer anderen molekularen Anordnung hervorgegangen sind.

52 Vgl. M.A.F. S. 34f.

53 Heroin erhielt vom ersten Produzenten und Vermarkter, den Elberfelder Farbenfabriken (heute besser bekannt als Bayer AG), seinen Namen. Das Kunstwort leitet sich aus dem griechischen (ἡρωίνη) ab und unterstrich dessen „heroischen“ Wirkeffekt. Selbstverständlich wurde es zuerst als Hilfsmittel beim Morphiumentzug eingesetzt (Vgl. Schmidbauer, vom Scheid S. 293).

54 Vgl. Lewin S. 127f.


Kommentare

  1. Die Fußnoten lassen sich hier doch wiedergeben. Zum Glück! 54 Fußnoten hätten im laufenden Text sonst sehr gestört.

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